Montag, 9. Juli 2012

The Sammer of Love

Ich wollte ein bisschen warten, bis ich etwas über das neue Mitglied der Bayern-Familie schreibe, damit ich ein bisschen Abstand gewinnen, vielleicht auch weniger emotional über die Geschehnisse berichten kann.

Hat nicht funktioniert. Es wühlt mich auf, es verwirrt mich. Ein ehemaliger Dortmunder soll der Heilsbringer sein. Es ist ja nicht direkt so, als hätte ich irgendwas gegen den Herrn Sammer. Wenn ich so darüber nachdenke, war er mir bisher eigentlich sogar ziemlich egal. Ich hab mir gar keine Gedanken über ihn gemacht. Genauso wenig, wie über Herrn Nerlinger, mal so nebenbei. Wobei ich es schon herzergreifend fand, wie sehr er sich optisch an Uli Hoeneß angepasst hat.

Ich glaube, ich bin einfach überrascht, weil ich Sammer nie mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht hätte. Aber ich bin bereit, mich überzeugen zu lassen.

Ich rufe hiermit den "Sammer of Love" aus. Ich werde alle Entscheidungen, die in diesem Sommer getroffen werden, umarmen. Ich werde sie fest in meinen Armen halten und noch fester daran glauben, dass sie nach besten Wissen und Gewissen getroffen wurden und nur das Allerbeste für den Verein bedeuten. Kein Pessimismus mehr! Jetzt wird alles gut.

Und was ich so aus der Pressekonferenz bei der Vorstellung des neuen Messias gehört habe, sind auch Uli Hoeneß und Matthias Sammer ganz verliebt ineinander. "Wir haben uns bei einer Flasche Wein einander angenähert", war da aus beider Munde zu vernehmen. Da geht mein Frauen-Herz auf. Bro-Love, wie es im Englischen so schön heißt - und das beim FC Bayern. Love, Peace and Harmony.

Aber nicht auf dem Platz, denn da werden jetzt keine Ausreden mehr akzeptiert. Jetzt wird wieder mit Syndesmosenbandrissen und Pferdeküssen Fußball gespielt. Ein bisschen Eisspray drauf, dann geht das schon. Und mit emotionalen Problemen braucht gar keiner mehr kommen. Jetzt wird Fußball wieder Männersport. Und das alles dank Sammer. Hach!

Sonntag, 1. Juli 2012

EM-Tagebuch: Quo vadis, Bundes-Jogi?

Es war, wie alles bei dieser EM, sehr vorhersehbar. Die deutsche Mannschaft scheidet gegen Italien aus, im Halbfinale und in Deutschland bricht, angefeuert von den fröhlichen Schreiberlingen der Sensationsmedienzunft und den noch fröhlicheren Experten der Fußballwelt, die unvermeidliche Trainerdiskussion los. Der bis dahin allseits geschätzte, überaus beliebte, omnipräsente Bundes-Jogi soll jetzt auf einmal nicht mehr gut genug sein. Und das wegen "völlig unverständlichen" (Zitat des mistgabel-schwingenden Mobs) Wechseln in der Aufstellung des Italien-Spiels.

Kurz zur Erinnerung:: Anstelle von Klose spielte Mario Gomez, zweitbester Torschütze der Bundesliga.So ganz kann ich nicht verstehen, wie dieser Wechsel Kritik hervorrufen kann, aber irgendwie will scheinbar niemand den Gomez für die Nationalmannschaft stürmen sehen. Vermutlich liegt es daran, dass er so gut aussieht.

Wechsel Nummer zwei: Podolski statt Reus. Das ist für mich ein viel grundsätzlicheres Problem. Warum Podolski trotz seit Jahren eher mittelmäßigen, jedenfalls nicht überragenden Leistungen beim Fahrstuhl-Verein seines Herzens stets ohne auch nur einen Hauch von Gegenwind wieder und wieder für die Nationalmannschaft nominiert wird, erschließt sich mir kaum. Ich habe ein bisschen das Gefühl, Löws Festhalten an Prinz Poldi hängt mehr mit einem romantisierten Sommermärchen-Nostalgiegefühl zusammen, als mit der tatsächlichen Leistung auf dem Platz.

Wechsel Nummer drei: Kroos statt Schürrle statt Müller. Bei diesem Wechsel sehe ich überhaupt kein Problem. Müller hat in Ordnung gespielt (im Vergleich zu seinen fulminanten Auftritten 2010 natürlich ein Schatten seiner selbst, aber trotzdem ok), Schürrle war definitiv stärker, aber überragend ist auch was anderes. Man kann es Löw nun wirklich nicht übel nehmen gegen die Italiener zumindest auf einer Position auf den Überraschungseffekt zu setzen. Und Kroos hat seinen Einsatz durch seine konstant guten Leistungen beim FC Bayern in dieser Saison durchaus gerechtfertigt. Der Kerl ist immerhin dreimal Zweiter geworden, so schlecht kann der nicht sein.

Was man Jogi Löw tatsächlich anlasten kann, ist - und wie sehr schmerzt es mich als Bayern-Fan das zugeben zu müssen - wie wenig Chancen er den jungen Dortmundern gegeben hat. Ich hätte gerne mehr von Götze und auch Bender gesehen. Reus, den ich ab sofort auch zu den Dortmundern zähle, gehört zwar  eindeutig zu den Gewinnern des Turniers, hätte aber gerade deshalb noch mehr Einsatzzeiten verdient gehabt.

Mmmmmhhhhh, hatte ich vorher "kurz zur Erinnerung" geschrieben? Ich meinte natürlich: lang und ausführlich und voller Subjektivität zur Erinnerung.

Dann fass ich mich jetzt einfach kurz: Ich finde es ist eine Unart, Trainer in einem Moment hochzujubeln und im nächsten zu verteufeln. Ich finde Jogi Löw sollte bleiben, denn ein verloren gegangenes Spiel alle zwei Jahre rechtfertigt noch keine Kündigung - so schmerzhaft diese Niederlagen für eine Nation, die so gerne im Glanze dieses Glückes blühen würde, auch sein mögen.

Und mal ganz davon abgesehen, will ich gar nicht wissen, wie viel Geld es den DFB kosten würde, Löw und seinen Trainerstab vorzeitig zu entlassen.