Montag, 9. Mai 2011

Ein perfekter Tag

Es ist geschafft. Die Angst, die Anspannung, die Befürchtungen alles abgelöst von einem einzigen Gefühl: rot-grün-weiße Glückseligkeit. 

Strahlend blauer Himmel begleitet unsere Reise vom Wittelsbacher Land in die Stätte der Hoffnung: die Impuls-Arena. Das weiße Trikot frisch gewaschen, den Schal um das Handgelenk geschwungen, so reihen wir uns in die Reihe der anderen Pilger ein. Die Stimmung ist angespannt. Niemand singt, niemand schreit. Es wird leise diskutiert über die möglichen Ausgangsszenarien des Spieltags, über den 1:8  Sieg des FC Bayern über St. Pauli - ein Schicksal, das dem FC Augsburg im Falle des Aufstiegs auch drohen könnte -, über die Problematik die Mutter am Muttertag wegen eines Fußballspiels zu versetzen. Vielleicht liegt es auch nicht in der Natur des Schwaben ungelegte Eier zu feiern, vielleicht erinnert sich der ein oder andere auch an die letzte Saison, in der der Aufstieg knapp verfehlt wurde. 

Nachdem man das Drehkreuz passiert hat, schlägt das Herz des sparsamen Schwaben höher: Fahnen, für umsonst! 30000 Fahnen werden verteilt. Das ganze Stadion ein einziges Fahnenmeer. Sogar die Gästetribüne ist an diesem Tag in Augsburger Hand. Der FSV Frankfurt bringt gefühlte 12 Fans mit nach Augsburg, die von gefühlten 50 Securities bewacht werden, aber dennoch mutig ihre zwei Fahnen schwingen. Die Plätze im O-Block werden gesichert, die Getränke geholt, das frisch gewaschene weiße Trikot im Gedränge mit einer Mischung aus Bier, Radler und Cola durchtränkt. Dann werden zum ersten Mal die Fahnen herausgeholt und das Haller-luhja klingt aus ca. 1000 Kehlen. Die Impuls-Arena ist nicht das meist-ausverkaufte Stadion der Liga und die meisten Menschen, die sich heute hier versammelt haben, kennen das Kult-Lied des FC Augsburg zu Ehren des ewigen Helden Helmut Haller gar nicht. Dafür schwingen sie ihre Fahnen umso enthusiastischer und so sei ihnen ihre Textunkenntnis verziehen. Die FCA-Hymne wird dann noch enthusiastischer mitgesungen, v.a. die "schöne Stadt" wird zelebriert. Man ist stolz aus Augsburg zu kommen, und das nicht nur wegen Bertold Brecht und der Puppenkiste, sondern wegen Männern wir Uwe Möhrle, Michael Thurk, Nando Rafael, Simon Jentzsch und Jos Luhukay.

Es wird angepfiffen. Jetzt heißt es 90 Minuten höchste Konzentration. Bei Mannschaft und bei Fans. Der M-Block stimmt ein Lied nach dem anderen an. Es dauert jedoch nur so ziemlich genau 120 Sekunden, da verstummt das Stadion. Sankoh leistet sich einen Bock auf Höhe der Mittellinie, Kapitän Uwe Möhrle versucht den Faux-Pas des Mitspielers auszugleichen und säbelt dabei den Frankfurter Mölders im Strafraum um. Kempter, der Schiedsrichter des heutigen Tages, deutet auf den Elfmeterpunkt. "Simon, Simon" - Anfeuerungsrufe für Keeper Simon Jentzsch verhallen im Stadion als Gjasula den Ball zum 0:1 unhaltbar versenkt. Der Rest ist Schweigen, ungläubiges Kopfschütteln, kurze Verzweiflung. Ist der Traum bereits vorbei? Dann schleicht sich ein leiser Gedanke ein: Moment mal, es sind gerade mal 3 Minuten gespielt. Es ist noch nichts verloren. Der M-Block stimmt das nächste Lied an und man besinnt sich wieder darauf, die Mannschaft nach vorne zu peitschen.

Und die Bemühungen tragen Früchte. In der 14. Minute egalisiert Michael Thurk, dessen Rückennummer ich nun umso stolzer auf dem Rücken trage, die Führung der Frankfurter. Der Rest ist Schreien, Umarmungen, die Faust in die Luft recken, High-Fives verteilen, zu Eine Insel mit zwei Bergen tanzen und dann langsam wieder in die Realität zurück finden. Es fehlt ja noch ein Tor zur endgültigen Erlösung. Schnell ist die Euphorie über den Ausgleich im Block O wieder verschwunden. Sie wird abgelöst von einer Ernüchterung, die mit jeder vergebenen Chance, mit jeder ertraglosen Ecke, mit jeder fragwürdigen Schiedsrichterentscheidung größer wird. Vor allem die Eckballstatistik - beim Abpfiff 14:1 für den FCA - lässt den ein oder anderen zum Zyniker werden. 'Regelverbesserungen' werden vorgeschlagen: 3 Ecken = 1 Elfmeter. Ja, wenn es doch nur so wäre! 

Dann, die 85. Minute. Der eingewechselte Stephan Hain erlöst mich, erlöst die Leute um mich herum, erlöst ganz Augsburg. Der Ball ist im Tor. Gerne würde ich beschreiben, was ich gefühlt habe. Geht aber leider nicht. Blackout nämlich. Purer Euphorie-Blackout. Aber es war gut. Sehr gut. 

Sehr pünktlich pfeift Kempter die Partie ab. Ein guter Mann. Dann stürmen Fans das heilige Grün. Die Spieler liegen übereinander. Luhukay läuft Slalom auf dem Rasen. Im M-Block drücken die Leute von hinten, sodass ein Tor geöffnet werden muss. Der Stadionsprecher bittet darum zurückzubleiben und nicht weiter zu drücken. Ich fühle mich an Stadionkatastrophen wie Hillsborough 1989 erinnert. Aber ich habe auch einen Hang zum Dramatischen. An diesem perfekten Tag geht alles gut aus. Den Leuten auf dem Rasen wird ein Aufstiegsshirt geschenkt, dann werden sie von der Polizei vom Rasen geleitet um für die Mannschaft Platz zu machen, die nun endlich auch mit der den Stehrängen feiern kann. Und wie sie feiern. Und wie wir feiern. Und wie alle feiern. 

Dann verschwindet die Mannschaft in den Katakomben des Stadions und wir machen uns auf den Heimweg. Noch schnell den Aufstiegsschal gekauft, kurz die Gesichtsmuskeln vom vielen Grinsen entspannt und dann ab nach Hause nach München. Mit so viel Freude im Herzen macht es auch nichts aus, dass man auf dem Heimweg noch ein bisschen von einem frustrierten 1860 Fan angegrantelt wird. Es ist Aufstieg! 

Dienstag, 3. Mai 2011

Die Angst der letzten Spieltage

Im Juni 2005 stand ich im altehrwürdigen Rosenaustadion in Augsburg und erwartete freudigst das letzte Spiel der Saison der Regionalliga Süd. Der FC Augsburg stand kurz vor dem Aufstieg in die 2. Bundesliga und nur der SSV Jahn Regensburg konnte den Schwaben noch einen Strich durch die Rechnung machen. Ein Unentschieden hätte gereicht um der Mannschaft Einlass in den Profihimmel zu gewähren. Die Champagnerkorken waren bereits gelockert, als Jahn Regensburg in der 89. Minute (keine Garantie auf diese Zahl, es war jedenfalls verdammt spät) den Ball zum Siegtreffer im Tor versenke und die gesamte Augsburger Fanschaft mit ansehen musste, wie ein euphorisierter Mario Basler über den Platz hüpfte um einen Sieg zu feiern, der seiner Mannschaft so rein gar nichts bedeutet haben dürfte. Außer natürlich dem Lokalrivalen aber mal so richtig eins vor den Latz gegeben zu haben.

To make a long story short, seit diesem Tag habe ich Angst vor dem letzten Spieltag. Und ich kann nur ahnen, wie es Schalke (Stichwort: "Meister der Herzen") und Leverkusen Fans (Stichwort: "Vizekusen") in dieser Hinsicht ergeht, mussten sie doch mit ansehen, wie ihnen und ihren Mannschaften am letzten Spieltag noch der Titel "Deutscher Meister" aus den Händen glitt, wie ein Traum, den man eigentlich nie hätte träumen dürfen. 

Es ist ein Phänomen, dass bei vielen Mannschaften auf den letzten 100 Metern das große Nervenflattern beginnt, ihnen die Puste ausgeht und sie schlicht und ergreifend über ihre eigenen Füße fallen. Man könnte das ganze wohl mit Prüfungsangst vergleichen, also der Angst die Menschen vor oder während des Moments verspüren, in dem sie ihr Wissen und Können zum Sinne und Zweck einer Bewertung darlegen sollen. Es ist oft eine irrationale Angst, hat man sich doch im Normalfall auf die Prüfung vorbereitet und sollte sich durchaus bewusst sein, dass Wissen und Können vorhanden ist. Und doch führt sie oft zu einer Lähmung des Verstandes, einer Lähmung aus der Angst heraus. 

Auf den Fußball angewendet, beinhalten die letzten Spieltage oft die Momente, in denen entschieden wird, wem der Titel des Meisters zuteil wird, wer in der nächsten Saison den internationalen Wettbewerben beiwohnen darf, wer sich vor dem Abstieg retten kann und wer in der nächsten Saison das Oberhaus nun aus dem Keller heraus beobachten muss. Die Prüfungen sind die letzten Spieltage, die Bewertung der finale Tabellenplatz. Auch hier sind Ängste unangebracht. Im Laufe der Saison sollte sich eigentlich jede Mannschaft ihrer Qualität, ihrer Stärken und Schwächen bewusst geworden sein. Der Druck der Öffentlichkeit, die Erwartungen der Fans, sowie die Masse der Betrachter sind im Profisport natürlich ungleich höher als in einer "normalen" Uniprüfung, dennoch ist es, wie an der Uni wichtig und sinnvoll sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und den Druck positiv und als Ansporn zu nutzen.

Oliver Kahn hat es vorgemacht: "Das ganze Stadion wird gegen uns sein. Außer den Bayernfans wird ganz Deutschland gegen uns sein. Etwas Schöneres gibt es nicht."  Noch nie hat jemand Druck so schön umarmt wie Oliver Kahn und der Erfolg gibt ihm Recht.

Der FC Augsburg ist im darauffolgenden Jahr in die 2. Bundesliga aufgestiegen und spielt nun, 6 Jahre später, um den Aufstieg mit. Momentan liegt die Mannschaft 3 Punkte vor dem Relegationsplatz und könnte am Sonntag gegen den FSV Frankfurt alles klar machen. Die letzten beiden Spiele, jedoch, wurden nicht gewonnen und verspüre ich einen Kloß im Hals wenn ich daran denke, dass noch zwei Spieltag bevorstehen. Zwei Spieltage. Ich habe Angst.





Sonntag, 1. Mai 2011

Der Sieg der Gelassenheit

Gestern hat Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft gewonnen. Verdientermaßen. Eine Horde Jungspunde, die zu Beginn der Saison noch niemand auf der Rechnung hatte, hat dem Rest der Liga gezeigt wo der Hammer hängt. Angeführt von einem ebenso fröhlichen wie dynamischen Mann, hat sich ein Team formiert, wie es die Bundesliga schon länger nicht mehr gesehen hat. Die jüngste Meister-Mannschaft der Bundesligageschichte hat sich über die Saison hinweg als sehr homogenen Kollektiv präsentiert, mit einem  Roman Weidenfeller im Tor, der trotz seines hohen Alters (30!) an Oliver Kahns Rekord kratzt, einer Abwehr...ach Gott, die verschiedenen Lobeshymnen kann man auf jeder anderen Website nachlesen. Tatsache ist, Borussia Dortmund ist deutscher Meister, weil sie in dieser Saison über lange Zeit den besten Fußball geboten haben und weil die restlichen Mannschaften zu wenig konstant und zu beschäftigt mit sich selbst waren. Das muss man neidlos anerkennen, gefallen muss einem das aber deswegen noch lange nicht. Jeder Fan will die eigene Mannschaft oben sehen und nur wenn die eigene Mannschaft oben steht, dann kann man sich auch wirklich des Lebens freuen. Hach, in diesen Tagen BVB-Fan sein und sich des Lebens freuen! Es wäre die reinste Wonne. Lebt man in der südlichen Hälfte Deutschlands, jedoch, so verfällt man inzwischen schon in Euphorie wenn man um zwei Punkte den dritten Platz zurückerobert hat. Aber immerhin. In der Not frisst der Teufel fliegen. Und man nimmt gerne alles hin, das von der lästigen "Chefchen"-Affäre ablenkt. "Chefchen" - was für ein saublödes Wort. Mehr ist dazu eigentlich auch nicht zu sagen.

Und die treue Uli Hoeneß Anhängerschaft kann sich zumindest freuen, dass der ewige Staatsfeind Nr. 1, als Retter gehypt, die arme Eintracht immer weiter in die Abstiegszone führt. Armes Frankfurt. Die Hinrunde wurde noch auf Platz 7 beendet und nun droht tatsächlich der Abstieg. Den Ausfall der fast kompletten Abwehr, außerhalb des Platzes ein stetiges Geplänkel um Transfers und Vertragsverlängerungen und eine steigenden Verunsicherung im Team scheint auch ein Christoph Daum nicht kompensieren zu können.

Überhaupt scheint es so, als könnten diejenigen Mannschaften, die sich in dieser Saison am wenigsten mit Trainer-, Transfer- und "Chefchen"-Fragen beschäftigen mussten, und sich so in aller Ruhe und völlig gelassen dem Fußball widmen konnten, die größten Erfolge feiern. Borussia Dortmund und Mainz 05 sind die besten Beispiele dafür, dass ein bisschen Gelassenheit oft nicht schaden kann. Es wäre wünschenswert, dass auch andere Mannschaften sich von dieser Gelassenheit eine Scheibe abschneiden und so die Meisterschaft nächste Saison wieder ein Stück spannender wird. Bis dahin, herzlichen Glückwunsch Borussia Dortmund zur Meisterschaft und zum Sieg der Gelassenheit!

Eine Einleitung

Some people think football is a matter of life and death. 
I assure you it is much much more than that.

Dieser Blog ist für alle, die Bill Shankly's Aussage ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben würden. Für alle, die sich auf jeden Spieltag freuen, wie ein Kind auf Weihnachten. Für alle, deren emotionaler Zustand sich zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt bewegt und das oftmals mit der Flugkurve des Balles. Für Frauen und Männer.